Die tote Stadt

Oper von Erich Wolfgang Korngold mit Texten von Paul Schott

Saarländisches Staatstheater

Musikalische Leitung: Justus Thorau
Bühne: Nicola Reichert
Kostüme: Sven Bindseil
Dramaturgie: Renate Liedtke

Pressestimmen

Regisseur Aron Stiehl überhöht Pauls Trauer zur religiösen Schwärmerei. Nicht nur, dass er Maries abgeschnittenen Zopf im Glas wie eine Reliquie aufbewahrt. Sie ist seine tote Göttin: Aus einem Töpfchen reicht sie ihm eine Oblate wie zum Abendmahl und später liegt der erwachsene Mann wie ein zu groß geratenes Jesuskind auf ihrem Schoß oder wirft sich ihr mit ausgebreiteten Armen zu Füßen wie ein Jung-Priester bei der Priesterweihe. Der schwelgenden Musik setzt Regisseur Aron Stiehl seinen augenzwinkernden-ironischen Blick auf christlich-katholische Totenverehrung und religiös-verbrämte Männerphantasien entgegen. Er klopft Korngolds Psychodrama über Verlustangst und Erinnerungsschmerz auf seine kulturellen Wurzeln hin ab. Und stellt heraus, wie eine lebensfeindliche kirchliche Moral das Frauenbild des Mannes prägte: Zerrissen nämlich in der Sehnsucht nach Heiliger und Hure, gespalten zwischen Gattin und Geliebter, verfällt auch Paul schon bald der Tänzerin Marietta, die quasi das sündige Alter Ego seiner Gattin ist. Zumindest sieht sie ihr zum Verwechseln ähnlich und betört ihn mit dem Lautenlied. Die Inszenierung von Aron Stiehl knüpft – wenn auch ironisch-gebrochen – an den Zauber des guten alten Hollywood-Kinos an und zeigt, wie schon die Traumfabrik vom menschlichen Zwiespalt zwischen Sünde und Moral ja prächtig profitiert hat.
Ob grellbuntes Variete, pathetischer Totenkult, christliche Passion, Liebesschwüre, Eifersuchtsdrama, Geschlechterkampf – alles ist an diesem dreistündigen im Angebot. Mit den Mitteln der Oper gelingt es der Inszenierung auf intelligente-unterhaltsame Weise uns vor Augen zu führen, wie Menschen sich vor dem Leben flüchten – nicht zuletzt auch mithilfe der Kunst.
SR, 7.10.2018

Theaterzauber mit Seltenheitswert!
Regisseur Aron Stiehl erzählt erfreulich gradlinig und musikkonform die Handlung. In einer stimmigen Personenführung wirken die Protagonisten klar charakterisiert. Belebt wird die Szene von der spielfreudigen Gauklertruppe. Stiehl vertraut der Musik, so dass es hier am Ende der Oper tatsächlich und endlich einmal wieder einen positiven Schluß zu sehen gibt! Die mittige Bühnenwand klappt herunter und es tut sich ein sonnenfarbener Lichthorizont auf. Auf diesen schreitet Marietta zu, bis sie nur noch schemenhaft wahr genommen wird. Paul folgt ihr mit langsamen Schritten ins Licht. Ein ergreifender, unvergesslicher Schluss. Alles in allem eine geschlossene und absolut überzeugende Regiearbeit mit Seltenheitswert. Bravo! Viel Jubel im Haus. Ein großartiges Erlebnis! Jedem Opernfreund sei diese besondere Produktion empfohlen!
Onlinemerker, 22.10.2018

Bald wird deutlich, was Regisseur Aron Stiehl bewegt: Nicht nur das Psychodrama, das Verschwimmen von Traum und Realität, sondern auch der verderbliche Sog katholischer Riten und Symbolik. Zu Beginn versucht Freund Frank vergeblich, Paul aus seiner Trauer zu holen. Dann tritt Tänzerin Marietta, die Marie gleicht, in den Mittelpunkt. An ihr entzünden sich Pauls Fantasien. Sie wird zu Marie, umgarnt ihn, schürt Leidenschaft, macht ihn lächerlich, reicht ihm als Madonna gar die Kommunion, ihren Leib. Ihre muntere Gauklertruppe parodiert und kommentiert dezent Sexistisches. Pauls korrekte Haushälterin erscheint scheinheilig als Teufelin, Frank als pferdehufiger Gottseibeiuns. Paul erschießt sie. Der Tagtraum geht weiter. Ziehen da etwa die Loreley, die Rheintöchter, Parsifal im Hintergrund – auf Leinwand gemalt – vorüber? Sind die Nonnen lasziv verkleidete Stripperinnen?
Wenn im dritten Akt Marie kopflos am Kreuz hängt, eine ferne Prozession von naivem Kinderchor begleitet wird, Paul sich reuig vor den Altar wirft und grinsende schwarze Bischöfe durch die seitlichen Fenster locken, dann wird es Zeit für Paul, aufzuwachen, seinen Traum zu zerstören. Er erwürgt Marietta und damit Marie mit ihren Haaren. Marie entschwindet in gleißender Unendlichkeit.
Eine spannende Inszenierung. Viele Vorhänge spiegelten die einhellige Begeisterung des Publikums.
Saarbrücker Zeitung, 7.10.2018

Zweieinhalb Stunden Hochspannung, voll von innerer Dramatik: Die Neuinszenierung von Erich Wolfgang Korngolds Oper „Die Tote Stadt“ am Saarländischen Staatstheater war ein besonderes Erlebnis. Die Jubelschreie am Ende zeigten, dass dieses Stück das Publikum nicht nur erreicht, sondern auch fasziniert und getroffen hatte. Ohne Einschränkung: Ein „Must have seen“.
OPUS, Ausgabe Nr. 70

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