La notte di un nevrastenico / Gianni Schicchi
Oper von Nino Rota / Giacomo Puccini
Theater Magdeburg
Musikalische Leitung: Johannes Stert
Bühne/Kostüme: Simon L. Holdsworth
Choreographie: Francisco Sanchez
Pressestimmen
Schon in der „Nacht der Ängste“ hat das Publikum viel gelacht, aber Aron Stiehl dreht die Schraube in „Gianni Schicchi“ noch deutlich weiter ins Sarkastische. Aber es handelt sich glücklicherweise nicht um eine jener platten Aktualisierungen, die sich in Second-Hand-Klamotten und schäbigem Dekor erschöpft. Vielmehr zeichnet er das genaue Bild einer verkommenen Sippschaft, die für das riesige Erbe skrupellos auch über weitere Leichen geht. Die türkische Putzfrau und Zeugin der kriminellen Machenschaften wird kurzerhand erschossen, hinter dem Sofa mit der Axt in handliche Teile zerlegt und im Eisschrank zwischengelagert. Der im Libretto als Ausländer beschriebene Gianni Schicchi ist Türke, seine Tochter ein „Kopftuchmädchen“, das als Schwiegertochter für den Neffen Rinuccio vollkommen indiskutabel scheint. Aus dieser Konstellation schlägt Aron Stiehl nun kräftig Funken und lässt den schaurigen Hintergrund der wirkungsvollen Komödie immer wieder durchscheinen. An den großen Überwältigungsmomenten von Puccinis Partitur nimmt er sehr geschickt das Tempo aus der turbulenten Handlung, lässt der Rührung des Publikums angemessenen Raum. Am Magdeburger Theater darf das Publikum genau an den richtigen Stellen nach Belieben lachen oder weinen, mehr kann man von einem Komödien-Doppelabend nicht erwarten.
Deutschland Radio, 1.3.2010
Was Regisseur Aron Stiehl im grandiosen Setzkasten-Arrangement von Simon Lima Holdsworth geschehen lässt, ist gleichwohl zum Brüllen komisch und stimmig bis ins Detail: von der „Dallas“-Titelmelodie bis hin zu den ultrascharfen Fatsuits, in denen ein brünstiges Sadomaso-Pärchen seine Obsessionen auslebt. Pornografisch, zynisch, brutal, ja mörderisch geht es zu in „Nacht der Ängste“. Das Stück ist an Drastik nicht zu toppen und verletzt doch nicht die Grenzen guten Geschmacks. Ein Kunststück, fürwahr. In Giacomo Puccinis Erbschleicherkomödie „Gianni Schicchi“ findet sich die außerordentliche Eintracht zwischen Regie und Ausstattung wieder. Rabenschwarzer Humor auch hier: Um ans Bare zu kommen, bricht die fußballfanatische Sippschaft alle Tabus – nicht im alten Florenz, sondern im modernen Magdeburg, wovon das Domfoto in der Stube, das FC-Magdeburg-Poster auf dem Klo und in den Küchenschränken die Sektflaschen eines mitteldeutschen Erzeugers künden. Echte Juwelen in dieser bissigen Satire, in deren Verlauf einem das Lachen schon mal im Halse steckenbleiben kann. Wieviel Spaß die Opernbühne zulässt, erforscht dieser Abend auf so tolldreiste Weise, dass er wie ein Befreiungsschlag des Musiktheaters von seinem Image als gediegener Zeitvertreib für die Oberschicht daherkommt. Selten so gut amüsiert.
Mitteldeutsche Zeitung, 13.3.2010
Aron Stiehl hat die unruhige Nacht in einer Mischung aus der provokanten Ästhetik der Entstehungszeit (wie bei Dario Fo etwa) und zeitgenössischer Trashkultur inszeniert, unterstützt durch die ziemlich drastischen Kostüme von Simon Lima Holdsworth. Beide Einakter bewiesen, wie vergnüglich Oper sein kann.
Volksstimme Magdeburg, 1.3.2010