Tannhäuser

Oper von Richard Wagner

Badisches Staatstheater Karlsruhe

Musikalische Leitung: Justin Brown
Bühne/Kostüme: rosalie
Choreographie: Davide Bombana
Dramaturgie: Bernd Feuchtner

Pressestimmen

„Tannhäuser“, ein brillanter Wagnerabend am Staatstheater Karlsruhe.
…in Aron Stiehls durchdachter, motivisch ausgefeilter Karlsruher Inszenierung läuft das anders… Venus’ Auftritt am Opernende zieht, mithilfe der elisabethanisch-heiligmäßigen Schlussmusik, die Venussphäre ganz ins Pilgerische hinüber: Mütterlich wacht sie über dem sterbenden Tannhäuser, Venus und Elisabeth zugleich, oder doch etwas mehr Venus, denn das Schreibheft mit den blutroten Innenseiten, was durch das ganze Stück wandert als dingliches Zeichen heterodoxer „Erkenntnis“, wird während der letzten Finaltakte von den „venerisch“ infiltrierten Pilgern im Triumph hochgehalten. Viel Beifall für eine exzellente Neuproduktion. Was würde ein derart interessanter, überragender „Tannhäuser‘ in Bayreuth erst für Furore machen!
Frankfurter Rundschau, 9.10.2012

Jubelndes Liebesglück und „der Gnade Heil“ werden auch in Karlsruhe dem Tabu-brecherischen Künstler Tannhäuser nicht zuteil: Er stirbt als Außenseiter. In seinen Händen hält er jedoch eines seiner Notizbücher: schwarz eingebunden, aber innen lauter sündig rote Seiten – Seiten, die schon zuvor den Weggefährten Wolfram beeindruckt haben. Dieses Buch nimmt eine Chordame, hält es begeistert hoch – alle anderen Pilger recken die Arme danach: eine mögliche Vereinigung von Spiritualität und Sinnlichkeit, ein später Triumph des Künstlers – wie so oft erst nach seinem Tod, während er zuvor als Sendbote des Künftigen verdammt wurde. Das ist die zentrale Aussage, mit der die Karlsruher Neuinszenierung endet. Hier wie den ganzen Abend über haben Regisseur Aron Stiehl und die für Raum, Lichtskulptur und Kostüme verantwortliche Künstlerin rosalie zusammengefunden. Keiner dominiert den anderen. Da Stiehl die Sinnenwelt des Venusbergs und die Scheinrationalität der Wartburgwelt als zwei Seiten einer Medaille, auch der menschlichen Natur sieht, hat rosalie einen Einheitsraum geschaffen. …Dazu lassen Regisseur Stiehl und rosalie die Wartburgwelt scharf kontrastieren: der Landgraf ist zum Öl-Baron mutiert, der Kunst sponsert – in einem Saal mit chromblitzenden Ölfässern, die halb zum Rundlehnsitz aufgeschnitten sind. Durch den gekonnt gegliederten Einzug der Fest-Society toben auch deren reichlich unerzogene Kinder samt Gouvernanten, ehe sich später eine Männerphalanx gegen den Revoluzzer Tannhäuser bildet: starke Chor-Wirkungen. Einhelliger Jubel.
Deutschlandradio, 8.10.12

Das Ganze funktioniert indes so trefflich, weil Regisseur Aron Stiehl sich nicht von der Bildmacht in die Defensive drängen lässt. Er inszeniert sowohl die große Linie wie auch das Detail. Einen solch originellen Sängerkrieg mit Kindern, einem vor sich hindösenden Landgrafen oder einem Rezensenten, der fleißig mitschreibt, hat man selten gesehen. Ein wesentliches Moment in Stiehls Interpretation ist das niedergeschriebene Wort. Das Papier mit Tannhäusers Versen ist für Elisabeth ein Fetisch; sie wird es vor ihrem Tod Wolfram übergeben, er zitiert daraus sein Lied an den Abendstern – eine originelle, kluge Sichtweise. Und „der Gnade Heil“ verheißt zu Wagners Schlußapotheose der Griff aller nach der Schrift, dem fixierten Gedanken. Dessen Freiheit die Wartburg‐Gesellschaft zuvor noch so in Frage gestellt hat. Schlüssig ist das, und es wird auch schlüssig umgesetzt.
Badische Zeitung, 10.10.2012

Sollte die beste der vielen Neuinszenierungen zum bevorstehenden Richard Wagner Jahr von einer Fach-Jury gekürt und mit einem Preis ausgezeichnet werden, hätte das Badische Staatstheater gute Chancen der Sieger zu sein. Denn eine Produktion, bei der sich Szene und musikalische Wiedergabe so glücklich vereinen wie hier ist in der heutigen Zeit, wo Regien oft rücksichtslos der Musik übergestülpt werden und egoistisch eigene Wege gehen, schon eine Seltenheit geworden. Vielleicht war es schlicht und einfach auch die daraus resultierende Dankbarkeit, aus der heraus das Publikum diese Premiere eine Viertelstunde lang euphorisch feierte. Bei den kraft ihrer allumfassenden Thematik und ihrer musikalischen Popularität erhöhten Angriffen ausgesetzten Werken Wagners wiegt solch eine einhellig positive Zustimmung umso höher. Und es gibt in der Tat auch nichts, was der Inszenierung von Aron Stiehl in Zusammenarbeit mit Rosalie als Raum- Kostüm- und Lichtskulpturgestalterin angekreidet werden könnte. Hier haben zwei Künstler ihres Fachs alles unternommen, um das Werk in seinem ideellen Zentrum und seiner reichhaltigen kompositorischen Substanz ohne Einschränkungen zur Geltung zu bringen. …Bei diesen Bühnenräumen könnte eine Einengung bzw. an den Rand Drängung der Personenregie nahe liegen. Doch das Gegenteil ist der Fall.
Der neue Merker, 10.10.2012

Stiehl garantiert für die Spannung zwischen den Personen im Raum, erfindet viele Mikrohandlungen auch für den großen Chor und setzt immer wieder klar ausgearbeitete Akzente, die die Aufmerksamkeit auf Details lenken. So hat der Musterschüler Wolfram, der mit Tannhäuser befreundet ist, aber wie dieser des Landgrafen Nichte Elisabeth begehrt, auch seine dunklen Seiten, und die Charakterisierung des Titelhelden als egozentrischen Künstler mit allerlei unsympathischen Eigenheiten regt die Zuschauer zur eigenen Meinungsbildung an. Das Karlsruher Premierenpublikum geizte nicht mit Jubel für alle Beteiligten – tosende Bravo-Wellen überschütteten die meisten Sänger, den Dirigenten. Aber auch Aron Stiehl und Rosalie.
Stuttgarter Zeitung, 9.10.2012

Der Mund ist schon geöffnet, die Handflächen warten. Wenn nur endlich der Vorhang fiele! Man will sich doch die Gänsehaut vom Leib klatschen. Als sich dann der Vorhang vor den zarten Lichtzauber wirft, bricht langanhaltender Jubel los. Für alle. Mit einem „Tannhäuser“, der nachwirkt, hat das Badische Staatstheater die Musiktheater-Saison eröffnet. Wie zurückhaltend Aron Stiehl das Personal um rosalies enervierenden Farben und die elektrisierenden Klänge aus dem Orchestergraben führt, ist so selten wie erfreulich. Der Darsteller des Tannhäuser ist das Salz in der Suppe einer Inszenierung, die ein Rezept schreibt, wie man Wagner zu spüren bekommt.
BNN, 9.10.2012

Aron Stiehl zeigt am Staatstheater Karlsruhe mit Rosalie einen „Tannhäuser“, der Jubel auslöst. In Karlsruhe sieht die Schlusszene so aus: schön, fantastisch schön! Der Saal tobt! Was für ein Beifall!
Mannheimer Morgen, 9.10.2012

Mit Richard Wagners Oper „Tannhäuser“ gelang dem Badischen Staatstheater Karlsruhe am Sonntag ein lange bejubelter Saisonstart.
…vor allem im zweiten Akt, den der Regisseur Aron Stiehl am überzeugendsten und bis in verspielte Details der individuell durchgestalteten Volksmasse hinein durchgestaltet hat. Wie Tannhäuser hier vergebens gegen die Prüderie und Bigotterie der Wartburg Gesellschaft ankämpft, wie er, ganz egozentrischer Künstler, von sich selbst doch nie absehen kann, wie alle Männer zwischendurch in jenen Textbüchern, die immer wieder in dieser Inszenierung auftauchen, gelesen, eingesehen und zerrissen werden, ihre Rollen und Einsätze suchen, ohne sie zu finden, und wie Tannhäuser schließlich aus der Rolle fällt: All dies sehen und fühlen wir.
Stuttgarter Nachrichten, 9.10.2012

Umjubelter Tannhäuser
Aron Stiehl, der seine Laufbahn als Regisseur mit Operetten an kleineren Theatern begann, ist mittlerweile auch in größeren Häusern als Inszenent schwererer Werke durchaus gefragt. Die gut durchdachte detailfreudige Regiearbeit hat viel Originelles zu bieten. Eine Biogas-Anlage ist hier nicht vonnöten gewesen. Aron Stiehl zeigt Tannhäuser als Egozentriker in einer romantischen Künstleroper, der zu seinen Lebzeiten als Sonderling überall aneckt, aber nach seinem Tode verklärt wird. Eine in sich geschlossene Inszenierung mit überzeugender Personenführung, wobei insbesondere die Chorszenen schön dramatisiert sind. Und auch das hat Stiehl von seinem Lehrer Götz Friedrich: es gibt selbst bei den gerade nicht aktiv beanspruchten Darstellern kein steifes Herumstehen. Das Premierenpublikum reagierte schon nach dem ersten Aufzug mit dem Jubel, der sich für diesen gelungenen Abend noch gewaltig steigerte.
Der Opernfreund, 10.10.2012

Der ‚Tannhäuser‘ darf als voller Erfolg verbucht werden – und das sowohl in szenischer wie auch in musikalischer Hinsicht.
…doch fügt sich in diesem ‚Tannhäuser‘ alles schlüssig ineinander – ein großes Kompliment für die Inszenierung eines Werks, an dem sich schon so mancher die Finger verbrannt hat. …später ist es dann Tannhäuser selbst, der im zweiten Aufzug, von der Festgesellschaft jubelnd hochgehoben, Autogramme schreiben darf, und ganz am Schluss ist es Tannhäusers sündige Geschichte – treffend dargestellt als pinkfarbene Seiten zwischen zwei schwarzen Buchdeckeln –, nach der sich die Hände verlangend strecken. Solche Querverbindungen, Korrespondenzen und rote Fäden gibt es einige in dieser von Aron Stiehl verantworteten ‚Tannhäuser‘-Inszenierung, die mit den Ausstattungen der Künstlerin rosalie – Raum, Lichtskulptur und Kostüme – eine reizvolle und überzeugende Verbindung eingeht. rosalie und Stiehl verdeutlichen die Polarisierungen, um die sich die Handlung dreht, mit denkbar einfachen, aber wirkungsvollen Mitteln. Doch lässt die Stilisierung – rote Beleuchtung in der Venusberg-Szene, blaues Licht als Sinnbild für die ehrbare Liebe – trotz ihrer Eindeutigkeit Frei- und Assoziationsräume. Und gleichzeitig wird Platz geschaffen mit leicht ironischer Distanz à la Robert Wilson, wenn in der Jagdszene zu Tableaus mit trauter Einheit von Lämmlein und Wolf ein Hirsch hereingetragen wird. Es ist dies aber mehr als bloß ironische Distanz: Gezeigt wird eine Sängerschar, die eine Jagdszene nur noch spielt und sich von der verlogenen Einheitsgesellschaft, die sich in der Wartburg-Halle einfindet, nicht unterscheidet. Nur Tannhäuser, der ewig und rastlos Suchende, stürmt mit fliegendem blauen Mantel durch die Szenen. Er und Elisabeth sind beide auf je unterschiedliche Weise Außenseiter dieser Gesellschaft – dies die zweite und für diese Inszenierung fast noch stärker als die erste wirkende Polarisierung.
Klassik.com, 29.10.2012

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