Der fliegende Holländer
Oper von Richard Wagner
Großes Festspielhaus, Landestheater Salzburg
Musikalische Leitung: Ivor Bolton
Bühne: Jürgen Kirner
Kostüme: Nicole von Graevenitz
Dramaturgie: Bernd Feuchtner
Pressestimmen
Regisseur Aron Stiehl zeigt den „Fliegenden Holländer“ als Bildergeschichte. Die Hauptpersonen tragen ihre Bild gewordenen Phantasien und Sehnsüchte buchstäblich vor sich her, nur scheinbar ungeschickte Kritzeleien von einem spießigen Eigenheim oder dem wilden Ozean. Der Fliegende Holländer steht in einem riesigen, schwarzen Wirbel aus Wasser, eine eindrucksvolle Idee von Bühnenbildner Jürgen Kirner.
Bayerischer Rundfunk, 15.10.2010
Mit Wagners „Fliegendem Holländer“ beendete das Salzburger Landestheater die umstrittene Spielpause im Großen Festspielhaus und beeindruckt mit einer nahezu festspielwürdigen Gesamtleistung. Bilder haben Faszination, der Betrachter kann sich hineinversenken, darin versinken, Welten entdecken, Lösungen finden. Bilder sind das Element, das Regisseur Aron Stiehl zum Leitmotiv der Wagnerschen Leitmotivoper gewählt hat, und er erzählt damit eine dichte, intensive und schlüssige Geschichte. Die Geschichte beginnt schon vor der Ouvertüre, sie beginnt in einer Galerie, an einer Bilderwand. Schwarz-weiße batikähnliche Zeichnungen thematisieren das Meer und seine Kraft. Ein einsamer Besucher, der Maler vielleicht, wandert unruhig, fast zwanghaft hin und her. Er trägt einen Bilderrahmen, schließlich hängt er ihn zu den anderen: eine schwarze Leinwand, noch ohne Imagination, in die er schließlich eintaucht, hinter der er die Zeichnungswelt entdeckt. Als Verfluchter auf der Suche nach Heil erlebt er die Geschichte hinter dem Bild. Wunderbare Bühnenbilder hat Jürgen Kirner dazu geschaffen, bei aller Einfachheit raffiniert und voller überraschender Effekte, Zeichnungen, die im sensibel eingesetzten Licht Dimensionen und Leben erlangen. Die Reduktion auf nur vier Farben – Schwarz, Weiß und mit Symbolgehalt Rot und Blau – intensivieren die Spannung auf der Bühne. Das ist Regietheater ohne Ablenkung und Schnickschnack, ganz wesentlich und stark. Präsent, präzis und beweglich wächst der Chor des Landestheaters über sich hinaus, von der Regie spielerisch sehr differenziert geführt, tragen sowohl die Herren als auch die Damen zum musikalisch-theatralischem Bilderbogen wesentlich bei. Mit dem schlussendlichen Erlösungsmotiv befinden wir uns wieder am Anfang, in der Galerie, der einsame Wanderer, der vom Bann befreite Holländer hat die schwarze Leinwand gefüllt mit einem Motiv der Hoffnung.
DrehPunktKultur, 15.10.2010
Genauso wenig wie Regisseur Aron Stiehl wollte Bolton eine romantische Schauerballade vorführen, sondern straffe, offene Skizzen eines Liebestraums entwerfen. Nicht der satte, füllige Klang dominiert, sondern die strukturbetonte Linie. Transparenz der klar aufgefächerten Orchesterstimmen geht über wogende Wagner-Wohligkeit, nicht ein Gemälde wird aufgezogen, sondern eine Zeichnung angefertigt. Das gilt auch für die sehr zeichenhafte, karg abstrahierende Inszenierung, die auf alles Behagliche, aber auch auf die dem Werk doch einkomponierte Atmosphäre des Bedrohlichen, Dämonischen verzichtet. Das „Handelsschiff“ Dalands wie seine Wohnung wirken wie flächig in den Raum gesetzte, streng schwarz-weiße Bildentwürfe, das Geisterschiff muss man sich im Zuschauerraum vorstellen, den Auftrittsmonolog singt der Holländer wie im Auge eines aufgemalten Taifuns, der Zwischenvorhang ist eine schnell hingeworfene, angedeutete Welle. Atmosphäre versagen sich diese Räume, so wie auch die Sänger zu statuarischen Haltungen, allenfalls nur langsamen, fast schematischen Bewegungen ohne Empathie verpflichtet sind. Der Schlüssel des strengen Konzepts ist die schicksalhafte Begegnung des Holländers und Sentas: tastendes Befragen bis zur Liebeserkenntnis, aber in keiner Sekunde ein reales Gefühl von „echter“ Liebe. Senta träumt sich bloß ein Bild des Mannes, der Holländer erträumt sich müde die Erlösung durch ewige Treue: Im zeitlupenhaften Aufeinander-Zugehen wird abstrakt aneinander vorbei gefühlt und gespielt, erst ganz zum Schluss des Duetts berühren sich die Hände der beiden.
Salzburger Nachrichten, 15.10.2010
…das machte sich sogleich in der Inszenierung von Aron Stiehl bemerkbar, die sich von so manch angestaubter Produktion aus der Vergangenheit wohltuend abhebt. Stiehl versetzt die verhängnisvolle Romanze der Spinnerin Senta mit der titelgebenden Figur des Holländers in die Wirtschaftswunderzeit, Hochsteckfrisuren und Sekretärinnenlook inklusive. Die tückischen Dimensionen der Festspielbühne umschifft Stiehl raffiniert, indem er sich von Jürgen Kirner pointiert-holzschnittartige Schwarzweiß-Tableaus „zimmern“ läßt. Wird der Raum für die Stubenszene kammerspielartig verknappt, so öffnet Stiehl für das Finale die Bühne und kreiert ein düsteres Szenario, innerhalb dessen er die Dramatik mittels zwingender Personenführung bis zuletzt steigern kann. Die unverhohlene Zustimmung des Premierenpublikums war durchaus berechtigt.
SVZ, 16.10.2010