Macbeth

Oper von Giuseppe Verdi

Theater St. Gallen

Musikalische Leitung: Pietro Rizzo
Bühne/Kostüme: Anthony Mc-Donald
Choreographie: Beate Vollack

Pressestimmen

Eine Neuproduktion am Theater St. Gallen betrachtet Giuseppe Verdis Shakespeare-Oper «Macbeth» aus einem ungewohnten Blickwinkel. Die Gier nach Macht führt bei Shakespeare wie bei Verdi zu einer Orgie der Gewalt. Der Regisseur Aron Stiehl gewinnt Verdis Oper dennoch eine unerwartet schalkhafte Seite ab.
In der St. Galler Inszenierung von Aron Stiehl nimmt das Geschehen in einer bürokratisierten Schaltzentrale der Macht seinen Anfang: ein moderner Verwaltungsapparat, von dem aus die kriegerischen Geschicke von König Duncan gesteuert werden. Aron Stiehls Inszenierung interessierte sich freilich auch nicht primär für die psychologische Dimension, sondern stärker für die handfesten gesellschaftlichen Auseinandersetzungen.
…im Ganzen betrachtet, waren es auch gar nicht die beiden Hauptrollen, die diesen «Macbeth» entscheidend prägten. Vielmehr war es eine leichte Affinität zur Ironie in der Inszenierung, die sich etwa in den karnevalesk angehauchten Kostümen von Anthony Mc-Donald zeigte, der auch das Buühnenbild gestaltet hatte. Dieser unterschwellige Zug wirkte dem blutigen Treiben eigensinnig entgegen und verhalf dem Stück zu einer – angesichts des blutrünstigen Treibens – irritierenden Leichtigkeit.
Mit gewitztem szenischem Spiel und absolut überzeugendem musikalischem Auftritt war der Chor und die Statisterie als Akteure wesentlich in dem Stück.
NZZ, 20.10.2015

In einer eindringlichen Inszenierung bringt Aron Stiehl Verdis «Macbeth» auf die Bühne des Theaters St. Gallen.
…zuallererst beeindruckt aber, was Aron Stiehl in der St. Galler Inszenierung aus dieser Wahnsinnsszene macht. Nie kommt die Lady bei ihm zur Ruhe. Kaum liegt sie im Bett, treibt es sie wieder hinaus aus ihrer düsteren Kammer, zum Waschbecken. Und in den abgerissenen Phrasen ihres Gesangs tauchen all die blutigen Taten auf, die sie mit ihrem Gemahl zusammen geplant und begangen hat.
Subtil zeichnet Aron Stiehl die Beziehung der Lady zu ihrer Kammerfrau in kleinen Gesten nach, es ist dies nur eines von vielen Beispielen, wie aufmerksam er sich dem Detail widmet.
Am phantasievollsten geht das Team um Regisseur Aron Stiehl und den Bühnenbildner Antony McDonald, der das Ganze außerordentlich geschickt in die klaustrophobische Enge eines Weltkriegsbunkers versetzt, bei den Auftritten der Hexen ans Werk. Da darf auch durchaus gelacht werden. Etwa wenn Macbeth die künftigen Könige Schottlands sehen will – und die heutige Königsfamilie über die Bühne tappt.
St. Galler Tagblatt, 19.10.2015

Wie inszeniert man eine plausible Hexenszene, wenn man die Handlung von Verdis MACBETH aus dem quasi heidnischen schottischen Hochland des 11. Jahrhunderts in einen „Führerbunker“ irgendwo in Grossbritannien gegen Ende des zweiten Weltkriegs verlegt? Ganz einfach, man macht die Sekretärinnen, Funkerinnen, die Tippsen an ihren Schreibmaschinen und Dechiffriergeräten zu Wahrsagerinnen, denn sie sitzen ja an den Quellen der Information. Wenn man dann Macbeth und Banquo auch noch beschwipst auftreten lässt, sind den Sekretärinnen flugs auch schon Bärte gewachsen. Regisseur Aron Stiehl hat diese Klippe also meisterhaft umschifft, genau wie die zweite Hexenszene, welche er als vorübergehende geistige Umnachtung Macbeths ablaufen lässt und ihn in seinem Albtraum in eine grausliche Hexenküche innerhalb des Bunkers geraten lässt. Dass bei der Erscheinung der Könige dann die gesamte aktuelle Royal Family Grossbritanniens vorbei defilieren muss, trägt zur Erheiterung des Publikums bei…
Die Inszenierung (die bedrückend stimmige Bühne und die Kostüme stammen von Antony McDonald) ist atmosphärisch nahe bei Hirschbiegels Film DER UNTERGANG, in welchem die letzten Tage Hitlers im Bunker der Reichskanzlei geschildert werden oder dem ENIGMA-Roman von Robert Harris angelegt. Auch der Macbeth (Paolo Gavanelli) in Stiehls Interpretation leidet am Ende unter dem parkinsonschen Zittern des Arms.
Wie dem auch sei, an der Personenführung gibt es nichts zu rütteln, die war grossartig, von beklemmend bis zum Teil wirklich zum Schmunzeln – und dies bei einem der schwärzesten Nachtstücke der Literatur. Das muss man erst mal hinbekommen. Vor allem die Charakterisierung der Lady gelang vortrefflich: Dieser Verschnitt aus einer bieder kostümierten Wallis Simpson und der Verschlagenheit einer femme fatale war treffend gelungen. Auch die gegenseitige Entwicklung der beiden Charaktere des Ehepaares Macbeth war wunderbar herausgearbeitet: Sie, die grossgewachsene, starke und dominante Frau, die keine körperliche Berührung zulässt, eiskalt kalkuliert, das aufgesetzt lächelnde Gesicht jedoch im Verlauf des mörderischen Spiels nur noch dank des Einwerfens von Tabletten wahren kann und schliesslich total dem Wahn verfällt, in manischen Zwangshandlungen sich ohne Ende die Arme wäscht – dies alles wird von Stiehl und vor allem der Interpretin, Mary Elizabeth Williams, mit fantastisch präziser Intensität umgesetzt. Er dagegen ist zu Beginn der Zauderer, der Ängstliche, welcher nur durch ihren Antrieb (und den häufigen Griff zur Whiskyflasche) funktioniert. Nach seinem Zusammenbruch am Ende des zweiten Aktes jedoch kommt er wieder auf die Beine, stärker, kämpferischer, brutaler und fatalistischer als je zuvor. Sehr treffend gelungen auch die Zeichnung der Nebenfiguren, so der in Selbstmitleid und Trauer gefangene Macduff, der griesgrämige, aber jugendlich entschlossene Hagestolz Malcolm und die von der Lady so niederträchtig behandelte Kammerfrau.
Oper-aktuell, 18.10.2015

Die Queen wäre nicht amüsiert. Einfach so als Geist durch ein Drama geschleust zu werden. Und dann auch noch im widerspenstigen Schottland… Beim Premierenpublikum in St. Gallen freilich kam die Pointe gut an, die englische Königsfamilie als Geistererscheinung über die Bühne spazieren zu lassen.
…im Theater fackeln die Beteiligten einen dramatischen Opern-Krimi mit einiger Situationskomik ab. Regisseur Aron Stiehl sorgt für kurzweilige drei Stunden: Er erschafft unter Neonröhren optisch eine Art Sowjet-Schottland. Schreibmaschinen und Sender sind aufgereiht, Landkarten hängen an der Wand. Die Bühne wird zur Kommandozentrale, in die bei Bedarf noch das Gemach der Macbeths hineinverschachtelt wird. Hexen gibt es hier jedenfalls nicht im Wald, sondern im Vorzimmer. Es sind Damen mit Bleistiftrock, Vollbart und Teufelskrallen. Ihre Weissagungen schubsen Macbeth erst so recht dahin, wo ihn die Gattin sowieso haben will: auf den Thron.
Die Bankettszene, einer jener Verdi-Klassiker, in der musikalisch und szenisch mehrere Stimmungen parallel laufen, wird in St. Gallen zum doppelbödigen Schauderstück. Zwar trägt das Ensemble lächerliche Party-Hüte, doch der Walzer stockt, wird zum mechanischen Zeitlupentanz eines Volkes, das den kalten Hauch der Tyrannei spürt.
Die Hexen: In St. Gallen verwandeln sie sich von biederen Tippsen in mysteriös-skurrile Unken, deren Hexenküche an den Keller der Gerichtsmedizin erinnert.
…Befreiung hin oder her, am Ende hat sich hier jeder die Hände schmutzig gemacht – mit diesem ein wenig simplen, aber schlüssigen Bild fällt der Vorhang. Tröstende Transzendenz? Fehlanzeige. Dafür jede Menge Beifall.
Südkurier, 20.10.2015

Mit donnerndem Applaus ist gestern am Theater St. Gallen Aron Stiehls Inszenierung
von Giuseppe Verdis Oper «Macbeth» quittiert worden.
Neun Minuten dauert der Schlussapplaus gestern abend im Theater St. Gallen am Ende von Giuseppe Verdis Oper «Macbeth», und wäre nicht der Vorhang niedergegangen, das Publikum hätte noch eine Weile weitergeklatscht. Aron Stiehl findet in seiner Inszenierung überzeugende Chiffren – allen voran jene der all gegenwärtigen blutigen Hände.
Ostschweiz am Sonntag, 18.10.2015

Den Bühnenvorhang ziert das Bild eines Waldes. Das macht Sinn, ist es doch der Wald von Birnam, der sich laut der Hexen-Prophezeiung in Bewegung setzt und das Ende von Macbeths Herrschaft besiegelt. Aber in der Inszenierung von Aron Stiehl setzen wir uns in Bewegung und fahren mit dem Hochziehen des Vorhangs in den Untergrund unter dem Waldboden in einen Führungsbunker, den die Briten im Zweiten Weltkrieg für Churchill und seinen Stab einrichteten. Die Hilfstruppen an den Funkgeräten und Schreibmaschinen mutieren zu Hexen, was in Macbeths Einbildung wohl dem ausgiebigen Genuss schottischen Whiskys bei der vorangegangenen Siegesfeier geschuldet ist. Die zweite Hexenszene dann erlebt Macbeth als Fiebertraum nach einem Ohnmachtsanfall. Konsequenterweise verwandeln sich Banquos Nachkommen auf dem englischen Thron in die Mitglieder der aktuellen Royal Family – eine Lachnummer, die ein wenig schräg steht zur dramatischen Musik dieser gespenstischen Beschwörung.
Südostschweiz, 20.10.2015

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