Fidelio

Oper von Ludwig van Beethoven

Theater Klagenfurt

Musikalische Leitung: Peter Marschik
Bühne: Jürgen Kirner
Kostüme: Sven Bindseil
Licht: Klaus Zimmermann

Pressestimmen

Was wurde nicht schon alles geschrieben, inszeniert, diskutiert – Fidelio, Beethovens einzige Oper, verführte immer wieder zu Gegensätzen und Widersprüchen und damit auch zu gnadenlos ausgepressten, sich unzähliger Klischees bedienenden Interpretationen. Regisseur Aron Stiehl fängt den Ball der Zeitlosigkeit zwar mühelos auf, drückt das Geschehen aber nicht in eine einseitig zuzuordnende Ecke, sondern lässt genügend Auffassungsspielraum: Glaubt man sich einmal in ein Stasi-Archiv mitsamt Spitzeln und Mitläufern versetzt, so lässt eine andere Szene Affinitäten zu Guantánamo oder Ex-Jugoslawien aufkommen. Die Verlogenheit aktuellen politischen Geschehens manifestiert sich in der Biegsamkeit der Mächtigen (Fernando, Pizarro). Genussvoll zelebrierte Anklänge an jüngere lokalpolitische Lächerlichkeiten (gönnerhafte, persönliche Geldübergaben, Posieren mit herzigen Kleinkindern) verwebt Stiehl reibungslos ins dramatische Geschehen. Das Bühnenbild Jürgen Kirners übernimmt und verstärkt die Intentionen der Inszenierung mit plakativer Überzeichnung (grelles Weiß als Zeichen der Unverbindlichkeit, drohende Omnipräsenz der Überwachungskamera, ein überdimensionaler Strichcode als Symbol für Entmenschlichung und Beliebigkeit). Aus dem Solistenensemble ragt Wieland Sattler (Pizarro) heraus, stimmgewaltig und schauspielerisch überzeugend, den Typus des rachsüchtigen Karrieristen ideal verkörpernd! Chor und Statisten runden eine bemerkenswerte Aufführung ab, die wohl als (vorläufiger) Opernhöhepunkt der Intendanz Josef E. Köpplingers gelten darf!
Der Standard, 25.10.2009

Aron Stiehl zeigt in seiner im Heute angesiedelten Inszenierung auch die Skrupellosigkeit so mancher Politiker.
Don Pizarro erschießt zuerst Leonore und dann Florestan – Black-out, der Vorhang fällt: Nicht nur mit diesem unerwarteten, völlig anderen Ausgang von Ludwig van Beethovens einziger Oper „Fidelio“ mitten im zweiten Akt verblüfft Aron Stiehl am Stadttheater Klagenfurt das Publikum. Nach der vorgezogenen Leonoren Ouvertüre Nr. 3 zeigt er diese Szene nochmals, diesmal wie vorgesehen. Aber nachdem Pizarro im Finale scheinbar verhaftet wurde, sieht man diesen mit Trachtenanzug in der gläsernen Überwachungskanzel des nunmehr zu einem Museum umgewandelten Staatsgefängnisses mit dem Minister beim Händeschütteln, gemeinsamen Zuprosten und ungesehenen Beobachten des Volkes. Der deutsche Regisseur zeigt in seiner im Heute angesiedelten Inszenierung nicht nur die Zeitlosigkeit der großen Revolutions- und Freiheitsoper, sondern auch die Anpassungsfähigkeit und Skrupellosigkeit so mancher Politiker. Und lässt so die Botschaften des Werkes, die Befreiung von Unterdrückung und den Triumph der Menschlichkeit stark relativiert ausklingen. Ein Strichcode, der nicht nur von Sträflingen auf Kleidung und Unterarm getragen, sondern am Vorhang oder im Hintergrund ständig erkennbar ist, symbolisiert zudem den gläsernen Menschen im totalen Überwachungsstaat. Weiß und kalt ist das moderne Interieur des Gefängnisbüros mit PC, Telefon und Wänden voller Akten, der Waschküche, über deren Wäscherutsche immer wieder Schuhe herunterfallen sowie der Zelle. Kalt wirken auch die Emotionen, die kaum seelische Beziehungen oder gar Leidenschaften bei den Protagonisten aufkommen lassen.
Kleine Zeitung, 10.10.2009

Spiegelbild der unfreien Gesellschaft
 ‚Fidelio‘ in Militärgrün und unter der Überwachungskamera: Beethovens Musik und der Blick darauf, was Unfreiheit aus Menschen macht.
Aufstehen, Decke zusammenlegen, sich entlang der Tischkante Schritt für Schritt kantig vorbewegen, einmal Telefonhörer abheben, kantig um die Ecke, noch um eine. Einmal sich hospitalismushaft, hilflos, links und rechts wiegen und dann dort ankommen, von wo man weggegangen ist: Der Gefangengehaltene spult diesen Ablauf immer wieder „herunter“, gehalten vom Ritual, doppelt gefangen im Zwänglertum, in der Neurose. Dreifach gefangen hinter einem Strichcode-Gitter, einer Nummer, einer Videoüberwachungskamera. Er bäumt sich nur auf, wenn er die Kraft hat, Gott anzurufen – und vom Engel Leonore zu träumen, der ihm die Freiheit bringt. Regisseur Aron Stiehl führt bei der Inszenierung von „Fidelio“ am Stadttheater Klagenfurt die Unfreiheit in unserer Gesellschaft – nein, jeder Gesellschaft, als Marter im Alltag vor: ob in der Arbeitswelt der „Waschküche“ des Staatsgefängnisses, im Gefängnis selbst oder in der Einzelhaft des aus politischen Gründen „verschwundenen“ Florestan. Rituale die uns Menschen strukturelle Hilfe sein könnten, pervertieren zu zwanghaften Handlungen. Unfreiheit im Geiste „übersetzt“ sich in Bewegungen, Haltungen, bis zum Händewaschen – zwischen Zwangsneurose und biblischem Zitat. Nummer, Überwachung, Kamera, Strichcode, Kontrolle – und ewig drückt die Macht… Die Bilder könnten aus jeder Militärdiktatur stammen – und die Begnadigungsszene mit dem Justizminister aus jedem Wahlkampf, vom Verhalten her. Und auch von dem der dabei anwesenden Gesellschaft. Bei Pizarro, dem Gouverneur des Staatsgefängnisses, blitz eine abgewandelte Pleamle-Weste unterm Anzug. Er hält medienwirksam lächelnd, ein Kind in die Höhe. Vorher hat er noch im Kerker die sich ihm entgegenstellende Leonore kurz mal erschossen. In die Verwirrung hinein tönt die große Leonore-Ouvertüre. Dann Rücklauf im Film. Und die Handlung geht wie gewohnt weiter. Aber durchaus wirksam, der bewusste Bruch gelingt.
KTZ, 10.10.2009

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